Am 24. Mai war ich durch meinen Arbeitskollegen Dirk auf den 24 Stunden Radmarathon „Rund um den Brelinger Berg“ (Brelinger Berg Night and Day) nahe Hannover aufmerksam geworden. Flugs die Internetseite angesehen, sah – so wie es auch Dirk geschildert hatte - nach einer kleinen, aber feinen Veranstaltung aus. Aber: Die 250 Startplätze waren lange schon vergeben, trotzdem versuchte ich eine E-Mail an den Veranstalter und bekam die Antwort: Startnummer 167, Startgeld einzahlen und du bist dabei! Ähm und was nun? Das sind ja nur zwei Wochen bis dahin und ich hatte bisher nur 24 Stunden Staffelerfahrung, aber solo und ganz auf mich allein gestellt, also ohne Helferlein? Eigentlich gehe ich sonst anders an so „Großprojekte“ heran: Zuerst überlegen, wie ist das zu bewerkstelligen, was ist zu organisieren. Diesmal denke ich mir: Just do it!
High Noon, Punkt 12 Uhr rollen die ersten Grüppchen vom Sportplatz, den Zentrum des Geschehens los. Alles recht entspannt, ich schließe mich einer Gruppe des SV Nienhagen an. Nach und nach entsteht eine Gruppe von ca. zwanzig Radfahrenden 😊 Die Gruppe läuft harmonisch, Einmündungen in bevorrangte Straßen werden umsichtig und durch Zuruf „frei“ oder „Auto“ gemeistert. Nur einer ist etwas – nennen wir es verhaltensinteressant. Im „Erdinger alkoholfrei“-Trikot überholt er mal die Gruppe, fährt paar Kilometer 30 Meter davor mit dem gleichen Tempo, wird dann eingeholt, lässt sich in der Gruppe kaum oder nur langsam zurückfallen, Prädikat: mühsam! In der Gruppe wird die Aufschrift „alkoholfrei“ auf seinem Trikot allmählich angezweifelt.
153 Km erste Pause, leider muss ich die Gruppe ziehen lassen, ich sitze am Trockenen und muss die Flaschen auffüllen, ich gönne mir einen Powernap gegen die Nachmittagsmüdigkeit, meinem Liegestuhl, der mich eben noch so angelacht hat, passt das wohl nicht und er bricht zusammen, vielleicht ein Zeichen von oben, wie man hier im hohen Norden so schön sagt „wieder in die Puschen zu kommen“.
Zum Glück erwische ich nach kurzer Alleinfahrt wieder eine schöne Gruppe, der Wind frischt doch lebhaft auf. Immer wieder beeindruckend, mit welcher Geschwindigkeit die Velomobile vorbeiziehen.
Um 21 Uhr dann der zweite Stopp, 268 Km, 33,4 Km/h Schnitt, richtig gut schmeckt die Pasta vom Restaurant Saloniki nebenan und ein halber Liter Cola. Da treffe ich auch Dirk und wir plaudern ein wenig. Danach gönne ich mir eine Auszeit in meinem Partner, also genauer gesagt auf der Ladefläche meines Peugeot Partner und lagere die Beine hoch, nach ca. 1 Stunde mache ich mich wieder auf den Weg, die Regeneration war gut, ich finde sofort wieder einen runden Tritt. Was auch sehr wichtig ist, denn nun ist die Fluktuation bei einbrechender Dunkelheit auf der Strecke hoch, es gibt keine Gruppen mehr. Dank an Olaf, einem Race Across Germany-Finisher, der mich eineinhalb Runden „mitnimmt“.
00:46 Uhr: 351 Km und 32,5 Schnitt zeigt der Tacho, wohlige 16 Grad, nun möchte ich meine geplante Schlafpause einlegen. Ich mache es mir auf der Ladefläche „bequem“. Es dauert bis ich zur Ruhe komme, schlafe aber dann doch irgendwann ein, den Wecker auf 03:00 Uhr gestellt, packe dann aber noch eine Viertelstunde drauf. Ich krieche aus meinem Schlafgemach, Schnarchen tönt aus dem benachbarten Kleinzelt, nicht alle haben so große Ambitionen.
Gegen 03:30 Uhr rolle ich wieder auf die Piste, ein Mitstreiter wartet bereits und „tindert“ mich für zwei Runden, um dann wieder eine Pause einzulegen. Ich spule weiter meine Runden ab, ein herrlicher Sonnenaufgang belohnt für die Mühen, aber mit aufsteigender Sonne legt auch der Wind wieder zu. Ich bekomme keine Riegel mehr runter, drücke mir nur noch Gels rein.
06:15 Uhr: 435 Km, Frühstückszeit, zunächst ein Brötchen mit schöner fetter Lyoner vom „Buffet“ am Sportplatz, danach im Auto „Hipp Pasta Bambini Rigatoni Napoli“, ein vielversprechender Name, kalt aus dem Glas gelöffelt, na ja, bringt ein bisschen anderen Geschmack. Dazu gibt es Tortellini, natürlich auch kalt und dazu Apfelmus. Man sieht, bei so einem 24 Stunden Marathon, wird so manches möglich 😊 Man könnte fast meinen, ich wäre in anderen Umständen, gegen 7 Uhr starte ich gut gestärkt wieder los.
09:50: 519 Km, der Wind zehrt, nochmal Getränke auffüllen und Beine kurz hochlagern, mich erreicht eine Whatsapp von einem Lemgoer Radfreund, er möchte 2,50 Euro für jede Runde die ich fahre an das Jugendhospiz Bethel spenden, für welches das Team Plasmatreat ja radelt. Das weckt nochmal zusätzlich meinen Ehrgeiz! Vielen Dank Lutz Missbach! Wer unser Projekt auch unterstützen bitte gerne unter Team Plasmatreat - B.O.C für "der Weg nach Hause" von David Buske: Unterstütze diese Spendenaktion (betterplace.org)
Um 10:20 also nochmal raus, drei Runden sollten noch drinnen sein, auf der Runde holt mich eine Gruppe von der Equipe Wedemark ein und beschert mir so eineinhalb entspannte Runden, die letzte Runde absolviere ich dann noch ein Paarzeitfahren mit einem Zurückgelassenen aus der Gruppe und genau mit dem Zwölfauhrläuten erreiche ich das Start und Zielgelände, nach 34 Runden und 569 Kilometern und einer reinen Fahrzeit von 17:48 Stunden, ergibt einen 32er Schnitt.
Ein großer Dank an Arne Schiereck für die von ihm im Alleingang organisierte tolle Veranstaltung, lediglich zehn Minuten vor dem Start gab Arne das Kommando an seinen Bruder ab und radelte selbst mit.
Michael Schenk, 12.6.2023